09. April – 24. April
Ich war voller Vorfreude auf Myanmar. Ich las, es ist eines der letzten Abenteuer in Asien, mit Wegen, die nicht schon Millionen Touristen vor uns gegangen sind, ein Land, das sich trotz brutaler Militärmacht nicht unterkriegen lässt und mit Menschen, so warmherzig und freundlich wie sonst nirgendwo in Südostasien. Und ich gab mir größte Mühe Sascha mit meiner Euphorie anzustecken.
Über kein anderes Land hatten wir uns so ausführlich informiert und in Büchern und auf Blogs gelesen wie über Myanmar. Wir wussten es wird abenteuerlich und wir wussten auch, dass die Birmesen ihr Neujahr mit einem großen Wasserfest feiern, das direkt in unsere Reisezeit fällt. Wir wussten, dass während dem Wasserfest manche Verkehrsmittel nicht fahren, reservierten uns ein Zimmer und dachten, wir sind gewappnet.
Aber vermutlich kann man lesen und sich informieren wie man will, Myanmar hat seine eigenen ungeschriebenen Regeln. Wir fanden das Land unglaublich anstrengend, heiß und staubig, dreckig und laut. Vielleicht hatten wir uns schlicht die falsche Jahreszeit für unsere Reise nach Myanmar ausgesucht, vielleicht hatten wir einfach Pech. In den letzten zwei Wochen wunderten wir uns jedenfalls regelmäßig über all die Beiträge und Berichte, die wir gelesen hatten, angefüllt mit Superlativen und Lobeshymnen auf Myanmar.
Und das ist nun unsere Geschichte:
Wir kamen am Abend des 09. April in Yangon an, fuhren mit offenen Fenstern und bei über 40 Grad durch eine Stadt, die viel westlicher aussah als wir es vermutet hatten. Immer wieder sahen wir Werbeplakate von internationalen Firmen, Samsung Red Bull und Coca Cola ganz vorne mit dabei.
Unser Gästehaus Chang Myaye war nett, das Personal sprach besseres Englisch, als wir es in Bangkok erlebt hatten und die Zimmer waren sauber. Am nächsten Morgen wollten wir Bustickets zum Inle See buchen, denn dort hatten wir uns – in scheinbar weiser Voraussicht – während des Wasserfestes ein Zimmer gebucht.
Rund 20 Ticketschalter nebeneinander und wir liefen sie alle ab, nur um die immer gleiche Antwort zu bekommen “No no, fully booked. Waterfest.” Aber für viel mehr als ein “no, no” reichte es meistens nicht. Welche anderen Möglichkeiten wir hätten um weiter zu reisen, ob Züge oder shared Taxis fahren, ob in eine andere Stadt noch Tickets verfügbar wären oder für welchen Tag es noch Tickets gibt – keine Ahnung. Die immergleiche Antwort “no no” half uns hier nicht weiter. Das war’s dann mit Englischkenntnissen.
Wir fragten uns von A-B, setzten uns zu Einheimischen, erzählten dass wir gerne mehr vom Land sehen möchten und erfuhren irgendwann, dass es bei den Zügen Schlafabteile gibt, die für “Foreigners” reserviert seien. Gut, also zum Bahnhof. Wieder wurde wir – wenn die Englischkenntnisse ausreichten – ziemlich willkürlich von einem Schalter zum nächsten geschickt, keiner wusste was der andere tat, aber jeder war sich zu stolz, um einfach “sorry I don’t know” zu sagen.
Nach einer gefühlten Odysee hielten wir zwei Bahntickets für den Schlafwagen nach Mandalay in den Händen. Da wollten wir zwar eigentlich nie hin, aber scheins gab es einen Weg von Mandalay nach Bagan per Boot. Wir nahmen, was wir kriegen konnten.
(Bilder von Yangon und der Shwedagon-Pagoda folgen bald in einer Gallerie.)
Am 14. April pünktlich um 17:00 Uhr fuhr der Zug aus Yangon ab. Mit uns im 4er-Abteil ein junges chinesisches Paar, das sich permanent zu streiten schien und mit Deutschland gar nichts anfangen konnte. Erst als wir “Europe” unserer Antwort nach dem Woher hinzufügten, kam ein schüchternes “oh” als Erkenntnis. Der Zug knatterte und wir mussten uns manchmal gut in der Matratze festkrallten, wenn der Zug über die Gleise hüpfte. Wirklich, er hüpfte. Es war als säße man auf einem Trampolin – auf einem sehr harten Trampolin – und jemand springt um einen herum. Aus 15 angekündigten Zugstunden wurden dann 22 Stunden – es gab keine Durchsagen, keine Erklärung. Wir stiegen in Mandalay aus, verschwitzt, müde und durchgeschüttelt und entschieden uns für ein richtiges Bett, anstatt direkt in den nächsten Zug zu steigen. Zumal nur noch die Holzklasse verfügbar war und es kein dünnes Kissen mehr gab, das den Hintern bei dem Gehüpfe abpolsterte.
Auf unsere Abkühlung mussten wir nicht lange warten. Es war der 3.Tag des Wasserfestes und während die Leute in Yangon wenigstens auf die Rucksäcke acht gaben, interessierte sich Mandalay’s Jugend dafür nicht und schüttete lachend und kreischend eimerweise braune Brühe auf uns. Willkommen in Mandalay.
Wir fragten an der Rezeption nach Zimmern und wurden abgewiesen mit dem mittlerweile sehr bekannten “no no, fully booked”, nur um kurz darauf festzustellen, dass über Agoda im Internet noch Zimmer verfügbar sind. Tja.
Unsere Laune sank, wir waren mittlerweile nicht nur müde, verschwitzt, sondern auch naß und klebrig von der Brühe und anscheinend wollten uns einige Gästehäuser ganz offentlich nicht haben. Wo genau sind die warmherzigen, freundlichen Menschen von denen ganze Reiseführer schwärmten?
Um uns herum nur Armut, Müll und Gestank, dazu partyhungrige Banden die unaufhörlich dreckiges Wasser auf uns kübelten, Gehwege und Straßen, die einem Hindernislauf glichen, mit Löchern so groß das wir ganz darin verschwinden könnten.
Nach einer Nacht in Mandalay wollten wir einfach nur weg. Egal wie, Hauptsache schnell weg. Also buchten wir zwei Tickets für das Flugzeug nach Bagan, das einzige Transportmittel neben dem Zug, das während dem Wasserfest halbwegs funktionierte. Für die Strecke nach Bagan hätten wir 10 Stunden auf harten Holzbänken im Zug gesessen, oder aber 20min im Flieger. Kaum in der Luft, setzten wir schon wieder zur Landung an.
Und dann waren wir am Abend des 16. Aprils tatsächlich in Bagan, eine Woche nach unserer Ankunft in Myanmar, liefen auf staubigen Straßen durch Neu-Bagan und freuten uns, der Stadt endlich entflohen zu sein. Hier gab es mehr Fussgänger und Radfahrer als Mopeds, man musste keinen Hindernislauf um stinkende Kloakenlöcher absolvieren und es war viel leiser und gemütlicher als Yangon und Mandalay.
Noch am Abend fragten wir in unserem Gästehaus nach Bustickets zum Inle See und hofften, dass – wo das Wasserfest nun zu Ende ist – wieder öffentliche Verkehrsmittel fahren. Nach 4 Tagen Wasserfest, dem Thingyan, feiern die Birmesen immer am 17. April ihr Neujahr und wir erfuhren, dass sie das nicht nur einen Tag, sondern drei Tage lang machen.
No, no und Busse gäbe es erst wieder ab dem 22. April war die Antwort. Vielleicht. Wir wollten uns nicht gleich wieder ärgern, verabschiedeten uns von unseren Inle Plänen und gingen Essen.
Ein nettes familiengeführtes Restaurant und der Inhaber saß lange bei uns am Tisch, erzählte von seinem Land, den Pagoden von Bagan und zeichnete in unserem Reiseführer alle Highlights ein. Für den nächsten Tag hatten wir uns Elektro-Räder (eigentlich kleine Mopeds) gemietet und cruisten damit von Pagode zu Pagode, immer wieder mit Zwischenstopps bei Ticketständen. Aber wie wir es schon kannten, hörten wir überall “no no, fully booked”. Scho Recht.
Abends kamen wir wieder ins Restaurant, weil es nett und lecker war und erzählten dem Inhaber von unserem Vorhaben zum Inle See zu reisen. Wenn wir wollten, so sagte er, könne er ja mal versuchen die Busorganisation direkt zu erreichen. Wir wollten.
Und tatsächlich gab es dann am nächsten Tag auf wundersame Weise zwei Bustickets für uns, in einem Nachtbus am 20.April zum Inle See. Wir wussten gar nicht, wie wir Danke sagen sollten und kamen einfach ein drittes Mal zum Abendessen vorbei.
Nach Zug und Flugzeug reisten wir nun also mit dem Bus zum Inle See. Der Bus war eng und voll, zu den vier “normalen” Sitzplätzen werden dann in der Mitte noch Gangplätze ausgeklappt, damit auch ja kein Reiseplatz verschenkt wird. Aber wir kamen an.
In Ngaungshwe liehen wir uns Fahrräder (richtige Räder, diesmal ohne Motor) und machten eine Tour zum See, ließen uns mit einer Nusschale übersetzen und genossen, das es hier ein paar Grad kühler war als in Bagan.
(Die Bilder von Bagan und dem Inle See folgen natürlich noch.)
Nun sind wir zurück in Yangon und morgen geht der Flieger zurück nach Bangkok. Wir hatten gute und schlechte Zeiten in Myanmar, fliegen mit einer handvoll schöner Erinnerungen aus diesem Land, aber kommen wohl nicht mehr zurück. Für uns war es zu dreckig und laut und manche Sitten und Gewohnheiten sind uns so fremd, dass wir uns nicht wohlfühlten. Die Birmesen kauen ständig auf einem roten Kraut – Betelnut und anders high-machendes Tabakzeug – das dann regelmäßig in großen roten Pfützen auf die Straßen gespuckt wird. Ständig wird gerölpst, gewürgt und gespuckt – überall. Wir fühlten uns häufig über den Tisch gezogen, es wurde kein Hehl daraus gemacht, dass wir in Lokalen, an Ständen und in Taxen den Touristenpreis zahlen und steckst du jemanden etwas zu oder winkst freundlich zurück, wird nach Geld “money, money” (das beherrschen wirklich schon die Allerkleinsten) und einem Geschenk gefragt. Kleiner Finger, ganze Hand…
Aber das Land lebt seit Jahrzehnten unter einer brutalen Militärjunta und wer sich die Mühe macht, über die Geschichte des Landes zu lesen, kann vieles besser verstehen, auch warum einige Burmesen gar nicht so glücklich über die Ausländer sind, die nun immer zahlreicher ins Land komen. Nach Jahrzehnte währender Isolation wollten die Millitärs ihr Land für das “Visit Myanmar Year 1996” vorbereiten, das Touristen und Devisen ins Land spülen sollte. Damit diese Touristen aber überhaupt transportiert oder untergebracht werden konnten, wurden Hunderttausende zur Zwangsarbeit an Straßen, Schienen und Brücken verplichtet und zur Umsiedlung gezwungen. Menschen aus Bagan mussten ihre Häuser abreisen und im 5km entfernten Neu-Bagan wieder errichten, so dass die zu erwarteten Touristen beim Anblick der schönen Pagoden nicht durch das Elend der Behausung gestört werden.
Wir schütteln den Kopf und fragen uns, wie es das heute tatsächlich noch geben kann und dabei ist das ist nur eine von vielen Geschichten, die uns zornig und ungläubig zurücklässt. Aber wie Anfangs geschrieben: Myanmar hat seine eigenen Regeln und die Menschen haben scheins ihre eigenen Wege und Mittel gefunden, um damit umzugehen.